Wenn Logistik fast nichts mit Logik zu tun hat, dafür sehr viel mit Ausbeutung und Umweltschäden.

Es ist ja nicht nur der Ärger über die verlorene Zeit im Stau oder auf Autobahn-Baustellen, der gegen den LKW-Verkehr in Deutschland spricht, der längst jegliches vertretbare Maß hinter sich gelassen hat. Es gibt zahlreiche und sehr vernünftige Argumente gegen den ausgeuferten Schwerlastverkehr aus den Bereichen Ökologie, Ökonomie, Medizin, Landschafts- und Verkehrswege-Planung und öffentliche Ordnung. Jens Niehuss‘ schwer verdaulicher Dokumentarfilm über den Schwerlastverkehr hat die wichtigsten Argumente überaus schlüssig und gründlich zusammengetragen.

Am Anfang war der Begriff „totes Kapital“ und die betriebswirtschaftliche Idee der Just-in-Time-Produktion.

Halten wir uns einen Augenblick bei dem „toten Kapital“ auf: Wie sollte Kapital denn anders sein als tot? Etwa lebendig? Mit Eigenleben ausgestattet, eigenem Stoffwechsel, Überlebens- und Fortpflanzungswillen, Lebensräumen und Gestellungsformen?

 

Genau so sieht offenbar die Betriebswirtschaftslehre, die die Just-in-Time-Produktion erfand und seither propagiert und fördert, das Kapital. Es darf nicht bewegunglos in Form von Rohstoffen und Arbeitsmaterialien in Hallen herumliegen, sondern soll just in time da sein, wo es weiterverarbeitet wird.

Also werden seit der Einführung dieses Begriffs keine Lagerhallen mehr gebaut, sondern Transportmittel. Und weil Europa und ganz besonders Deutschland eine Gegend mit viel Autoindustrie ist, denkt jeder, aber wirklich jeder (vor allem jeder Verkehrsminister) an LKW als Transportmittel und die Straße bzw. Autobahn als Transportweg.

Das Ergebnis dieser seit Jahrzehnten ungebrochenen Ansicht und entsprechenden Infrastrukturpolitik erlebt man auf den Autobahnen und ihren Brücken, die verstopft und baulich marode sind. Ein 40-Tonnen-LKW verursacht an der Straße, auf der er fährt, ungefähr 60.000 mal so viel Verschleiß wie ein PKW. Und das ist noch die LKW-freundliche Version, es gibt Statistiken, die hier die Zahl 100.000 verwenden.

Niehuss lässt Strukturpolitiker und LKW-Fahrer zu Wort kommen und fragte vergeblich um Stellungnahmen bei Unternehmern und Ministeriumsvertretern an. Er sammelt medizinische Daten über Luftverschmutzung und die Lebenssituation der LKW-Fahrer, über Belastung bestimmter Regionen, über technische Probleme und Baumaßnahmen und Vorsätze des Verkehrsministeriums. Er charakterisiert den harten Konkurrenzkampf auf der Straße, erzählt von eingepreisten Bußgeldern, von Betrugsmöglichkeiten mit dem Fahrtenschreiber (ein Magnet genügt), zu wenige und zu laxe Kontrollen, von tödlichen Unfällen.

Logistik, so lautet ein Fazit, hat fast nichts mit Logik zu tun, dafür sehr viel mit Ausbeutung und Umweltschäden, ganz abgesehen von der Absurdität von jährlich 6,5 Milliarden allein in Deutschland gefahrener LKW-Kilometer ohne Fracht.

So viel zum Begriff des lebendigen Kapitals.

Am Ende gibt es einen kleinen, aufschlussreichen Exkurs über brach liegende Transportkapazitäten auf der Schiene und das Beispiel Schweiz. Warum in der Schweiz so viel mehr Güter auf der Schiene transportiert werden? Ganz einfach: In der Schweiz gibt es keine Autoindustrie. Unser Verkehrsminister freut sich derweil über die baldige Einführung des elektrischen Tretrollers.


Quelle: Frankfurter Rundschau, Dienstag 07. Mai 2019


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